Die Tourismusindustrie galt lange Zeit als sehr Krisen-resistente Branche. Bisherige Krisen beschränkten sich entweder geographisch oder zeitlich und die Regionen erholten sich relativ rasch. Die aktuelle Covid-19 Krise hingegen betrifft den gesamten internationalen Tourismus, welche spätestens mit Mitte März alle Tourismusaktivitäten zum Erliegen gebracht hat. So schnell kam es von der heißen Diskussion über "Over-Tourism" zu "Zero-Tourism". Nach wie vor ist nicht absehbar, wie lange uns diese Krise noch beschäftigen wird und welche langfristigen Auswirkungen sich ergeben werden.
Ein Forscherteam des MCI Tourismus hat sich daher das Ziel gesetzt, die Kommunikation der Tiroler Tourismusverbände genauer zu analysieren. Dabei wurden 412 Instagram Posts im Zeitraum von 16. März 2020 bis 19. April 2020 - sprich in den ersten 5 Wochen des Shut downs - mit Hilfe einer quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse untersucht (mehr zur methodischen Vorgehensweise finden Sie im Tourismuswissen Quarterly Beitrag im Download).
In einem ersten Schritt wurden alle verwendeten Hashtags (n=1.063) quantitativ analysiert. Am häufigsten verwendet wurden dabei #visitaustria (n=107) und #tyrol (n=89). Bereits an dritter Stelle befindet sich der Krisen-bezogene Hashtag #mitabstandnah (n=85), der von der Tirol Werbung initiiert wurde. Betrachtet man weitere Corona-bezogene Hashtags, so findet man in der Top 10 Liste hier hauptsächlich nicht-touristische wie #dahoamblieben oder #stayhome.
Geht man nun einen Schritt tiefer und betrachtet den meist genutzten Corona-bezogenen Hashtag #mitabstandnah, so zeigt sich recht deutlich, von welchen Verbänden dieser verstärkt aufgegriffen und in der eigenen Kommunikation verwendet wurde. Je weiter außen im Kreis bzw. je dunkelgrauer der Bereich ist, desto häufiger wurde der Hashtag inkludiert. Knapp jeder zweite Tiroler TVB hat damit #mitabstandnah aufgegriffen.
Schwierigkeiten ergeben sich hingegen, wenn - wie bei dem vom Land Tirol initiierten Hashtag #dahoambleiben - eine einheitliche Schreibweise nicht gegeben ist. Es kam so zu vielen Variatenen wie #daheimbleiben, #bleibdaheim, #bleibdahoam und damit verlor dieser Hashtag an Konnektivität.
In einem zweiten Schritt erfolgte eine Kategorisierung aller Corona-Hashtags in insgesamt acht Kategorien. Als größte Kategorie stellte sich dabei das Thema "Daheim bleiben" (n=165) heraus. Ungewöhnlich für Tourismusverbände rief man die Gäste dazu auf, in der Quarantäne-Zeit zu Hause zu bleiben und versuchte ein Heimatgefühl, Nähe und Familiarität zu vermitteln. In einigen Fällen kommt es dabei zu Personalisierungen bzw. Regionalisierungen der Hashtags und sie enthalten konkrete Handlungsanweisungen. Interessant dabei ist, dass sich diese Posts nicht nur an Gäste, sondern auch an Einheimische richten.
Kategorie 2 betrifft das Thema "Nähe trotz Distanz" (n=96) und inkludiert den bereits erwähnten Hashtag der Tirol Werbung #mitabstandnah. Verbände versuchten hiermit, trotz physischer Trennung emotionale Nähe zu vermitteln und damit klar zwischen physischer und sozialer Distanz zu unterscheiden (#farbutnear, #mitabstandnah).
Kategorie 3 wurde als "Durchhalten" (n=93) bezeichnet, da hier Hoffnung und eine positive Einstellung trotz der Krisensituation vermittelt wird (#alleswirdgut, #staystrong, #staypositive). An 4. Stelle folgt die Kategorie "Sehnsucht wecken" (n=79), welche zum Träumen inspiriert, da zum damaligen Zeitraum eine Reise nicht möglich war. Somit wollte man die Vorfreude und Sehnsucht der Gäste wecken und mit ihnen in Verbindung bleiben (#dreamnow, #träumedeinereise, #urlaubimkopf). Ähnlich dazu liegt auch die Kategorie 5, welche sich auf die temporäre Komponente "Später verreisen" (n=65) bezieht. Sie beinhaltet die Aufforderung, eine Reise zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten bzw. zu verschieben (#traveltomorrow, #enjoylater, #werreisenliebtverschiebt) bzw. bildet eine Schnittmenge zwischen Kategorie 4 - dem Träumen - und Kategorie 5 - der Sehnsucht (#dreamnowtravellater, #dreamnowvisitlater). Kategorie 6 beinhaltet das "Gesund bleiben" (n=64) sowie den Sicherheitsaspekt (#bleibgesund, #stayhealthy, #staysafe). Kategorie 7 hingegen verweist auf die "Solidarität" (n=33) und vermittelt Werte wie Gemeinschaft oder Zusammenhalt (#zusammenhalten, #gemeinsamschaffenwirdas, #zsammhaltn). Kategorie 8 bezieht sich schließlich auf das Corona-Virus selbst (n=8) sowie die Pandemie (#flattenthecurve, #covid19, #vorsichtmaßnahmen). Einzelnennungen fielen noch auf Themen wie Regionalität beim Einkaufen (#shoplocal, #supportyourlocalbusiness), Entschleunigung (#entspannung, #erholung) bzw. das Homeoffice (#workfromhome, #homeofficewithaview).
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass eine koordinierte Vorgehensweise in der Kommunikation - gerade auch in Krisenzeiten - von enormer Bedeutung ist. Dies betrifft einerseits das korrekte Wording bzw. wenig Möglichkeiten zur Abänderung des Hashtags. Als positives Beispiel kann hier der Hashtag der Tirol Werbung #mitabstandnah genannt werden, über welchen ein geschlossenes Image weiter getragen werden konnte. Eine weitere Herausforderung stellt die korrekte Schreibweise bzw. Fehlerquellen wie verwendete Leerzeichen, Emojis oder Dialektwörter dar. Wie die Analyse zeigt, haben die Verbände auf positive Botschaften gesetzt und damit versucht, die emotionale Nähe zu den Gästen trotz Corona-Krise zu wahren, den Kontakt aufrecht zu erhalten und zum Träumen zu inspirieren. Auch die Themen Sicherheit, Gesundheit und Solidarität spielen dabei eine Rolle in der Kommunikation.
In einem weiteren Schritt wird das Forschungsteam die bestehende Analyse vertiefen. Dies passiert einerseits durch die Erweiterung des Zeithorizonts auf die Zeit bis zur Wiedereröffnung Ende Mai. Zudem werden neben den Hashtags auch das Text- und Bildmaterial der Posts qualitativ ausgewertet, um hier weitere Einblicke zu erhalten. Dies würden neben der vorliegenden Forschertriangulation auch eine Daten- und Methodentriangulation erlauben. Wie sich gezeigt hat, haben sich durch die Covid-19 Krise bestehende Trends weiter verstärkt und umso mehr müssen sich Tourismusverbände auf neue Herausforderungen einlassen und die Kommunikation mit bestehenden und potentiellen Gästen, aber auch touristischen und nicht-touristischen Leistungsträgern und Einheimischen verbessern. Umso wichtiger ist es, die Krisenkommunikation der Verbände weiter zu analysieren, um die zentrale Koordinations- und Führungsrolle der DMOs weiterentwickeln zu können.
Der gesamte Beitrag ist im aktuellen Tourismuswissen Quarterly von Juli 2020 erschienen. Den gesamten Artikel finden Sie im Download.
Titelbild: Jan Baborák auf Unsplash
Monica Nadegger MA
Nach dem Bachelorstudium „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum in Graz und dem Master in „Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement“ an der FH Kufstein startete Monica Nadegger Ende 2018 am MCI Tourismus und zeitgleich das PhD Studium Management an der Universität Innsbruck. Nach knapp 4 Jahren im Online-Marketing beim TVB Innsbruck als Leiterin des Blog-Redaktionsteams und Social Media Manager und als Mitglied des Doktoratskollegs „Organizing the Digital“ vereint sie am TTR ihr Interesse für Wissenschaft, Tourismus und digitale Kommunikation.
„Als Wissenschaftsplattform für den Tiroler Tourismus schafft ttr.tirol nicht nur eine Schnittstelle für Wissenschaft und Praxis, sondern versucht, Daten und Inhalte aufzubereiten und verständlich und ansprechend darzustellen."
Im TTR Team seit: Anfang 2018
Zuständig für: Content Strategie und Produktion, Website, Social Media
Dr. Birgit Bosio
Birgit Bosio hat den ersten Diplomjahrgang des MCI Tourismus absolviert und anschließend zwei Jahre in der Marktforschung der Tiroler Werbung gearbeitet. Gemeinsam mit Hubert Siller (MCI) und Michael Brandl (ehemals TW) zeichnet sie für die Entstehung des TTR verantwortlich. 2016 hat sie an der Universität Salzburg promoviert.
“Die Arbeit mit dem TTR ist spannend, da man sich täglich mit neuen Entwicklungen & Trends beschäftigen und ständig am Ball bleiben muss. Gleichzeitig stellt es aber dauernd eine Herausforderung dar, dem Nutzer diese Informationen kundengerecht und in der richtigen Dosis interessant aufzubereiten.”
Im TTR Team seit: November 2006
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Content Management, Social Media
Phd. Philipp Wegerer
Stefanie Haselwanter MA
Janosch Untersteiner MA
Janosch Untersteiner hat im Jahr 2002 den 2-jährigen Lehrgang zur “Diplomierten Fachkraft für das Hotel- und Tourismusmanagement” besucht. Nach mehrjähriger Berufserfahrung absolvierte er das Bachelor- und Masterstudium am MCI Tourismus. Seit 2013 ist Janosch wissenschaftlicher Mitarbeiter am MCI Tourismus.
“Der ttr.tirol ist eine spannende Online-Plattform, die touristisches Expertenwissen einfach und übersichtlich für die touristische Praxis aufbereitet. Mein Ziel ist es, komplexe statistische Daten flexibel, einfach und übersichtlich aufzubereiten und in Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen zu setzen.”
Im TTR Team seit: Februar 2013
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Destination Performance