Relevanz
Die gegenseitigen Wechselbeziehungen von Tourismus und Sport erfahren in den letzten Dekaden sowohl von akademischer als auch von wirtschaftlicher Seite stetig wachsende Aufmerksamkeit (Weed & Jackson, 2008). Das eigenständige Segment des Sporttourismus ist heutzutage ein essentieller Teil der Tourismus- und Freizeitwirtschaft und auch in Österreich sowie insbesondere in Tirol von hoher ökonomischer und sozialer Relevanz (Arbesser, Grohall, Helmenstein, & Kleissner, 2010). Mit der intensiven akademischen Auseinandersetzung hat sich auch die Definition des Konstrukts Sporttourismus weiterentwickelt (Hinch & Higham, 2001). Setzten frühere Definitionen den selbst aktiv sporttreibenden Urlauber in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung, zeigen aktuellere Ansätze die Vielfältigkeit von Sporttourismus auf (Gibson, Attle, & Yiannakis, 1998; Gammon & Robinson, 2003; Weed & Bull, 2009). Standeven & Knop (1999, S.12) verdeutlichen in ihrer grundlegenden Definition, dass Sporttourismus alle Formen der aktiven oder passiven Teilnahme an sportlichen Aktivitäten in entweder organisierter oder individueller Form aus sowohl nichtkommerziellen als auch kommerziellen Gründen beinhaltet, die mit einem Ortswechsel vom üblichen Wohn- und Arbeitsort verbunden sind. Daraus lassen sich fünf verschiedene Nachfragetypen für den Sporttourismus ableiten: Aktive Sporturlauber, Aktive Urlauber, Sportzuschauer, Trainings- und Wettkampfreisende und Sportunterstützer.
Hintergrund
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in der Sommervorbereitung der Saison 2017/2018 insgesamt 21 Vereine der 1. und 2. Deutschen Fußballbundesliga ihre Trainingslager in Österreich abgehalten haben (davon acht Vereine in Tirol), wurde im Rahmen dieses Projektes den Nachfragetypen der Trainings- und Wettkampfreisenden entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet, um Aussagen über die touristische Bedeutung bzw. das touristische Potential solcher professioneller Trainingslager für die gastgebenden Destinationen ableiten zu können.
Vorgehen
Den Schwerpunkt der Studie stellen qualitative Interviews mit Verantwortlichen in gastgebenden Destinationen dar. Das Grundlagenforschungsobjekt wurde ursprünglich auf Tirol abgegrenzt. Um aber einen Mehrwert hinsichtlich überregionaler Vergleichbarkeit zu erreichen, wurden außerdem gastgebende Destinationen aus Südtirol und der Schweiz in die qualitative Datenerhebung integriert.
Ergebnisse
In den analysierten Destinationen konnten fünf unterschiedliche Organisationsformen bzw. unterschiedliche Initiatoren von professionellen Fußballtrainingslagern identifiziert werden, die die Beteiligung unterschiedlicher Leistungsträger in den Destinationen beinhalten.
Vereine erwarten sich insbesondere Fußballplätze von höchster Qualität nach FIFA-Norm. Daneben ist die Qualität der Unterkünfte mit ihrer Infrastruktur entscheidend: kurze Wege zwischen Hotel und Trainingsplatz, Konferenz-/Seminarräume für Besprechungen/Videoanalysen/etc., Fitnessraum, Massage-/Regenerationsräume und Privatsphäre sind die wesentlichen Komponenten.
Sponsorenveranstaltungen/Incentives werden als eine Möglichkeit gesehen, Nächtigungen in der Destination zu generieren – unabhängig von den Nächtigungen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Trainingslagern. Die Meinung zur Wirksamkeit von Trainingslagern in Bezug auf Nächtigungen variiert jedoch. Die befragten Experten attestieren dem alpinen Raum auch in Zukunft weiteres Wachstumspotential hinsichtlich der Attraktivität für Fußballtrainingslager.
Der limitierende Faktor für eine Weiterentwicklung im Sinne von mehr trainierenden Vereinen im alpinen Raum ist allerdings die Verfügbarkeit von geeigneten Trainingsplätzen. Während das Instrument der professionellen Fußballtrainingslager in manchen Destinationen vorrangig zur Stärkung des Sommertourismus angesehen wird, verfolgen andere Destinationen einen Ansatz zur gezielten Stärkung des Ganzjahrestourismus.
Literatur
Arbesser, M., Grohall, G., Helmenstein, C., & Kleissner, A. (2010). Die ökonomische Bedeutung des alpinen Wintersports in Österreich. Wien.
Gammon, S., & Robinson, T. (2003). Sport and tourism: a conceptual framework. Journal of Sport & Tourism, 8 (1), 21–26.
Gibson, H. J., Attle, S. P., & Yiannakis, A. (1998). Segmenting the active sport tourist market: a life-span perspective. Journal of Vacation Marketing, 4 (1), 52–64.
Hinch, T. D., & Higham, J. E. S. (2001). Sport tourism: a framework for research. International Journal of Tourism Research, 3, 45–58.
Standeven, J., & Knop, P. de. (1999). Sport tourism. Champaign: Human Kinetics.
Weed, M., & Bull, C. (2009). Sports tourism: participants, policy and providers. Oxford: Elsevier Ltd.
Weed, M., & Jackson, G. (2008). The relationship between sport and tourism. In B. Houlihan (Ed.), Sport and Society: A Student Introduction (2nd ed., pp. 395–414). London: Sage Publications.
Kontaktperson für detaillierte Informationen zur Studie:
Jannes Bayer MA
Titelbild by © TVB Stubai