65.700 registrierte User, zwei Drittel davon internationale Gäste, 700 Referent:innen, 400 virtuelle Events, 3.513 Aussteller:innen aus 120 Ländern, über 1.000 Medienvertreter:innen und Reiseblogger:innen aus 54 Ländern. Das ist die Bilanz der ITB NOW 2021. Wir waren virtuell für euch mit dabei und haben ausgewählte Konferenzbeiträge zusammengefasst:
Große Reislust
Die Stimmung auf der ITB 2021 war trotz der Krise durchwegs positiv und optimistisch. Laut ExpertInnen ist die weltweite Reiselust nach wie vor stark. Dies zeigen unterschiedliche Studien. Laut World Travel Monitor (WTM) von IPK International wollen 2021 noch 62% der weltweit Reisenden im Ausland Urlaub machen. Befragt wurden dabei Reisende aus 60 Ländern. Ebenso liegt die Impfbereitschaft mit 90% sehr hoch. Jene, die nicht ins Ausland reisen möchten, geben hierfür nicht finanzielle Gründe, sondern das Covid-19 Infektionsrisiko an. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Statista (s. ITB Trendbericht Kap. 1). Laut ihren Analysen wollen 70% der Befragten aus Deutschland, den USA und China 2021 verreisen. 37% planen derzeit gerade eine Reise. Aufgrund der Corona-Krise sehen Menschen sich nach Plätzen, an denen sie sich wohl fühlen können und wo sie umsorgt werden.
Der heimische Markt sowie Nahmärkte werden sich schneller von der Krise erholen als Fernreisen. Ebenso verhält es sich bei Freizeitreisen im Gegensatz zu Geschäftsreisen. Allerdings gibt es hier auch einen Unterschied zwischen den Regionen. Während die Geschäftsreiseabsichten in Europa eher verhalten sind, zeigen sich die Amerikaner:innen und Asiat:innen hier gewillter, bald wieder auf Geschäftsreise zu gehen (siehe WTM). Bei den Urlaubsreisen steht der Badeurlaub hoch im Kurs, gefolgt von Städtereisen sowie Urlaub in der Natur. Bei den AsiatInnen liegen Städtereisen sogar auf Platz eins. Aber auch der Städtetourismus müsse sich neu erfinden und sinnvolle Begegnungen anstelle von reinem Massentourismus bieten. Daher wird sowohl für Outdoor-Aktivitäten als auch für Städtereisen das Thema Besucherlenkung immer wichtiger. Derzeit setzten Städte wie z.B. Beijing noch stark auf den heimischen Tourismus. Unter den EuropäerInnen befinden sich die bevorzugten Urlaubsdestinationen für 2021 in Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich. Auch Amerikaner:innen und Asiat:innen bevorzugen Reisen am eigenen Kontinent. Einen großen Boom wird laut Experten auch der Bereich VFR (Visiting friends & relativs) erleben (siehe WTM).
In der Branche stehen derzeit nach der langen Durststrecke alle Zeichen auf Erholung. So sieht TUI 2021 als Übergangsjahr und 2023 als Rückkehr zum Vor-Corona Niveau. KundInnen fordern höhere Flexibilität, was laut DER Touristik auch starke Auswirkungen auf die Liquidität der Reiseunternehmen hat. Daher wird es massive Änderungen in der Branche geben müssen. Entscheidend wird nach wie vor eine hohe Flexibilität bei den Buchungs- und Stornobedingungen sein. So buchten laut TUI seit Anfang Feber 80% ihrer KundInnen eine flexiblen Tarif. Bei DER Touristik waren es 70%. Dies hat jedoch auch starke Auswirkungen auf die Liquidität vieler Reiseunternehmen und daher müssen sich auch Geschäftsmodelle ändern.
Eine Studie der ITB und Travelzoo im Jänner 2021 (8.000 Befragte in Kanada, China, Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA) zeigt, dass vor allem europäische Reisende vielfach ihr Vertrauen in die Reisebranche verloren haben. Ein durchaus konträres Bild zeigt sich in den USA und China (s. ITB Trendbericht Kap. 9).
Mehr Fokus auf Nachhaltigkeit
Sowohl unter den AnbieterInnen als auch unter Konsument:innen hat die Krise zu einem verstärkten Bewusstsein für Nachhaltigkeit gesorgt (s. ITB Trendbericht Kap. 2-6). Die Auswirkungen der Klimakrise wurde zwar durch die aktuelle Krise zurückgedrängt, auch wenn deren Auswirkungen 2020 klar sichtbar war. Damit sorgte die Frage nach mehr Nachhaltigkeit für viel Diskussion. Euromonitor International erstellt hierfür ein Nachhaltigkeitsranking auf Destinationsebene, bei welchem Österreich Platz 3 hinter Schweden und Finnland einnimmt. Besonders die soziale Nachhatlgikeit hat in dieser Krise an Bedeutung gewonnen. In einer Session wurde aufgezeigt, dass eine Nachhaltigkeitszertifizierung in einem Hotel zu gesteigertem Umsatz führen kann. Das Unternehmen FlockEO bringt eine Website für Öko-Destinationen auf den Markt. Den Naturtrend greift das Start-up mycabin auf, welche den Konnex zwischen Camping-Enthusiasten und Grundbesitzern wie bzw. LandwirtInnen herstellen (s. ITB TrendberichtKap. 13).
Insgesamt sind sich die Experten einig: Die Angst in der Pandemie hat dazu geführt, dass der Wert des Vertrauens ganz nach oben gerückt ist. Beim Reisen möchten die Gäste wieder die Verbindung spüren, auf die sie seit Pandemiebeginn verzichten mussten. Verbindung zu Gastgebern, aber auch zur Natur - denn die Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir Menschen ein Teil der Natur sind und auf diese Rücksicht nehmen müssen. Bezüglich der Gastgeber, sind diese nicht nur im Luxushotelbereich nun mehr denn je gefragt, sich um ihre Gäste zu kümmern und ihnen ein sicheres "Nest" zu bieten und letztlich das Sicherheitsbedürfnis zu stillen.
Gesundheit, Sicherheit & Hygiene
Nie zuvor stand das Thema Sicherheit (s. ITB Trendbericht Kap. 10) und Gesundheit stärker im Fokus als jetzt. Menschen meiden größere Versammlungen und daher wird gerade dem Luxus-Tourismus eine sichere Zukunft vorhergesagt.
From Human Touch to Human Tech
Um das "alte" Gefühle des sorglosen Reisens auch in Corona-Zeiten wiederherzustellen, setzen Unternehmen und Reiseveranstalter auf digitale Transformation und Innovation. Digitale Touchpoints entlang einer Reise über Ländergrenzen hinweg sollen reibungslose und sichere Mobilität gewährleisten. In der ITB Keynote "From Human Touch to Human Tech" stellt Christian Warneck, der Vice President von Airline Solution der Amadeus Germany GmbH, so eine digitale Customer Journey in Zeiten von Corona vor. Digitale Technologien sollen helfen, eine harmonische Kollaboration zwischen Information, Sicherheit und reibungslosem Reisevergnügen zu schaffen. Wie das in der Praxis aussehen kann? Von einer interaktiven Travel Map mit den jeweiligen länderspezifischen Corona-Regeln, über die automatische Erinnerung für den Test vor der Abreise bis zum kontaktlosen Einchecken via Selfie-Cam und Reispass-Foto - für Reisende soll es möglichst einfach und komfortabel sein, sicher über Landesgrenzen hinweg zu kommen. Die Gesundheitsdokumente (wie Testergebnisse oder der Impfpass) sind dabei immer mit dabei - bequem am Smartphone. In der Destination vor Ort geht es dann weiter. Mit einem Barcode können Restaurants und Veranstalter beim Einlass ganz einfach die Test-Ergebnisse kontrollieren und so mit wenig Wartezeit ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Das übergeordnete Ziel aller Maßnahmen ist den reibungslosen Ablauf des Reisens auch in Corona-Zeiten wiederherzustellen - damit der Urlaub nicht nur sicher, sondern auch komfortabel und unkompliziert wird.
Die Digitalisierung wirkt demnach als Katalysator in der Krise. Laut Phocuswright wird die Online-Penetration 2024 75% erreichen (s. ITB Trendbericht Kap. 11). Skift stellte die wichtigsten Tech Trends in Travel für 2025 (s. ITB Trendbericht Kap. 12) vor und betont dabei insbesondere das Kundenerlebnis. In Zukunft werden nur Technologien bleiben, die das Reisen nicht nur sicherer, sondern besser machen.
Mehr Carpe Diem & Enjoy the Moment
Diese Krise hat die Gesellschaft mit dem Tod konfrontiert und daran erinnert, dass das Leben begrenzt ist und kleine Dinge mehr wertgeschätzt werden sollten. Dr. med. Jeffrey Mc Cutchan (Facharzt für Psychiatrie & Psychologie) erklärt, wie man in der klassischen Angsttherapie mit dieser Konfrontation und dem Gefühl der Angst umgeht: der Angst bewusst werden - mit der eigentlichen Angst auseinandersetzen - mit den Folgen der Angst auseinandersetzen - dabei helfen, eine entspanntere Verfassung zurückzuerlangen. Körper und Geist gehen hier miteinander einher - ein holistischer Ansatz würde also den Urlaubsstart mit einem Spa-Treatment anstelle von Stress am Flughafen befürworten.
Urlaub ist jetzt dringend notwendig - jeder braucht eine Pause vom Pandemiejahr. Die Menschen brauchen Orte, an denen sie wieder Energie tanken können, um Körper und Geist zu erholen. Für das Sicherheitsgefühl spielt Hygiene jetzt eine große Rolle. Der Trend entfernt sich längst vom Massentourismus zu kleineren Unterkünften, mehr Privatsphäre und weniger Anonymität.
Achtsamkeit & Gleichberechtigung - die neuen Werte im Tourismus?
Reisen war auch schon vor Corona nicht für alle gleich. Viele verschiedene Gruppen sind immer noch mit Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Sexualität oder Herkunft konfrontiert. Doch wie kann der Tourismus, der für Freiheit und die Erweiterung des Horizonts steht, diese Ungleichheiten bekämpfen? In der Panel Diskussion " Tourism & Human Rights: Multiple Experiences of Discrimination and Inequalilty and How to Fight It" liefern die Speaker Stephanie M. Jones (Gründerin und COR der National Blacks in Travel & Tourism Collaborative), Tobias Sauer (freier Journalist), Sandi Robinson (Area Director of Sales & Marketing at Godfrey Hotel Chicago) und Iaia Pedmonte (Gründerin und Editorin von Gender Responsible Tourism) Einblick in die Probleme, aber auch die Lösung für einen gerechteren Tourismus. Das Problem beginnt für marginalisierte Gruppen bereit bei der Reise.
- Wo kann ich als Teil der LGBTQ+ Community sicher hinreisen?
- Welche Orte in den USA sind für schwarze Reisende in den USA sicher?
- Wie können Frauen frei, aber dennoch unbeschwert reisen?
Tobias Sauer erklärt, dass es an den Destinationen und Agenturen selbst liegt, sich aktiv einzusetzen und eine sichere und gerechte Praxis zu leben und zu verankern. Ist das Problem erstmal erkannt, können NGOs und Expert:innen helfen, gerechtere und inklusivere Strukturen zu schaffen und so die Branche grundlegend zu verändern. Obwohl die Repräsentation von Diversität ebenfalls eine große Rolle für potentielle Reisende spielt, sind rein "kosmetische" Marketing-Kampagnen hier nicht genug. Es braucht neue Marktplätze, neue Kanäle und eine Umverteilung der Ressourcen und Profite hin zu kleinen, lokalen Reiseanbietern, wie Stephanie M. Jones in ihrem Beispiel von schwarzen ReiseveranstalterInnen in den USA berichtet. Nur so können Vorurteile entkräftet und eine wirtschafltich nachhaltige Lebensgrundlage für betroffene Gruppen geschaffen werden. Alle Panel-TeilnehmerInnen sind sich einig: vor einem inklusiven, gerechten und fairen Tourismus liegt noch ein langer Weg, doch durch Awareness, Bildung, Austausch und der Pflicht zur aktiven Veränderung hat die Branche ein großes Potential sich weiterzuentwickeln.
Workation - Urlaub zum Arbeiten
Ein weiterer Trend, der von vielen Reiseexperten beobachtet wird: Langzeitaufenthalte an Urlaubsorten für Remote Working (s. ITB Trendbericht Kap. 8).
Work + Vacation = Workation
Die Pandemie hat gezeigt: Arbeiten von zu Hause ist möglich und funktioniert (nicht in allen, aber vielen Jobs). Diese Entwicklung führt insbesondere bei der jungen Generation zu der Erkenntnis, dass Arbeiten nicht nur von zu Hause, sondern auch vom Urlaubsort möglich ist. Das Angebot von expliziten Reiseprogrammen für "Digitale Nomaden" wächst stetig an - Hotelzimmer mit extra eingerichtetem Arbeitsplatz, spezielle auf 1-2 Jahre ausgelegte Visa-Programme für "Workationers" werden ermöglicht. Das Besondere an den digitalen Nomaden für die Tourismusbranche: Sie bleiben lange, verdienen Geld und möchten in den Destinationen etwas erleben und dabei Geld ausgeben. Für die Zukunft wird mit wachsender Nachfrage von Workationers gerechnet.
Ein Blick in die Zukunft
Der Trend zur Digitalisierung, für welchen die Covid-19 Krise als Katalysator fungiert hat, wird sich weiter fortsetzen. Auch wenn das Online-Format gut geklappt hat, will man sich nächstes Jahr wieder persönlich in Berlin treffen. Der Termin steht bereits fest: 9.-13. März 2022. Ein hybrides System ist daher sehr wahrscheinlich. Damit wird es in der Reisebranche auch keine Rückkehr mehr zur alten Normalität geben. "The future will be hybrid and the future will be different." (ITB Now, 2021) Eine Erholung der Branche wird laut Phocuswright regional sehr unterschiedlich erfolgen. Während man für China eine schnelle Stabilisierung der Lage bis zum Jahr 2023 vorhersagt, wird diese in Deutschland oder Japan länger dauern. Jedenfalls werden wir uns noch einige Jahre mit kontaktlosem Reisen mit Hilfe von biometrischer Identifizierung und digitalen Identitäten und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen einstellen müssen. Es bestehe stärker denn je eine Nachfrage nach smarten Verbindungen von Personalisierung von Services und künstlicher Intelligenz mit Hilfe der Blockchain. Das Thema Datensicherheit wird daher gerade bei Gesundheitsdaten in Zukunft eine entscheidende Rolle in der Smart Travel Chain spielen.
Titelbild by ITB Berlin
Denise Fecker MSc
Denise Fecker hat ihren Bachelor in "Mehrsprachige Kommunikation" sowie den Master "Markt- und Medienforschung" an der TH Köln absolviert. Zudem hat sie praktische Erfahrung in einem Kölner Marktforschungsinstitut gesammelt und arbeitet nebenher als Skilehrerin.
"Der TTR als Gesicht der Tiroler Tourismusforschung bringt allen Tourismus-Interessierten spannende Einblicke in aktuelle Themen in ganz Tirol. Um für Tiroler Entscheidungsträger stets fundiertes Wissen bereitzustellen, steht der TTR im ständigen Austausch mit Praxis und Wissenschaft, sodass es immer wieder Neues zu entdecken gibt."
Im TTR Team: seit August 2020
Zuständig für: Inspiration & Tourismusforschung
Dr. Birgit Bosio
Birgit Bosio hat den ersten Diplomjahrgang des MCI Tourismus absolviert und anschließend zwei Jahre in der Marktforschung der Tiroler Werbung gearbeitet. Gemeinsam mit Hubert Siller (MCI) und Michael Brandl (ehemals TW) zeichnet sie für die Entstehung des TTR verantwortlich. 2016 hat sie an der Universität Salzburg promoviert.
“Die Arbeit mit dem TTR ist spannend, da man sich täglich mit neuen Entwicklungen & Trends beschäftigen und ständig am Ball bleiben muss. Gleichzeitig stellt es aber dauernd eine Herausforderung dar, dem Nutzer diese Informationen kundengerecht und in der richtigen Dosis interessant aufzubereiten.”
Im TTR Team seit: November 2006
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Content Management, Social Media
Monica Nadegger MA
Nach dem Bachelorstudium „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum in Graz und dem Master in „Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement“ an der FH Kufstein startete Monica Nadegger Ende 2018 am MCI Tourismus und zeitgleich das PhD Studium Management an der Universität Innsbruck. Nach knapp 4 Jahren im Online-Marketing beim TVB Innsbruck als Leiterin des Blog-Redaktionsteams und Social Media Manager und als Mitglied des Doktoratskollegs „Organizing the Digital“ vereint sie am TTR ihr Interesse für Wissenschaft, Tourismus und digitale Kommunikation.
„Als Wissenschaftsplattform für den Tiroler Tourismus schafft ttr.tirol nicht nur eine Schnittstelle für Wissenschaft und Praxis, sondern versucht, Daten und Inhalte aufzubereiten und verständlich und ansprechend darzustellen."
Im TTR Team seit: Anfang 2018
Zuständig für: Content Strategie und Produktion, Website, Social Media
Julia Vögele BA
Julia Vögele schloss 2015 ihr Bachelorstudium am MCI Tourismus ab, woraufhin sie ein Management Traineeship im Kempinski Hotel Ajman, in den Vereinigten Arabischen Emiraten absolvierte. Seit März 2017 verstärkt sie das Marktforschungsteam der Tirol Werbung mit den Schwerpunkten Statistik, Märkte & Trendforschung und ist u.a. für die Betreuung der TTR Web- & Facebookseite verantwortlich.
“Der TTR ist ein interessantes Gemeinschaftsprojekt, wo Know-How der Tirol Werbung und des MCIs gebündelt wird. Der Mehrwert dieser Plattform ist dementsprechend groß, daher bemühen wir uns die Bekanntheit zu steigern, damit möglichst viele davon profitieren.”
Im TTR Team seit: März 2017
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Statistik, Märkte & Tourismus Trends, Social Media