Die Arbeitswelt war schon vor Covid-19 im Wandel (Capelli & Keller, 2013; Werther, 2021). Auch in der Tourismusbranche war man bereits vor der Krise an einem Punkt angekommen, an dem man nach Veränderungen Ausschau hielt (Schwaiger et al., 2021). Doch wer hätte gedacht, dass gerade eine weltweite Pandemie, die Reisen zeitweise unmöglich macht, die Arbeitswelt zum Reisen bringt?
Workation = Work (Arbeit) + Vacation (Urlaub)
Der Begriff Workation ist eine Kombination von zwei englischen Begriffen (Werther, 2021). Workation beschreibt demnach einen Urlaubsaufenthalt oder eine Reise, die auch Arbeitsphasen beinhaltet. Häufig werden diese Aufenthalte auch als "Retreat" bezeichnet. Anders als bei einem reinen Coworking-Space-Angebot, welches einen Ort zum tagsüber Arbeiten bietet, beinhaltet Workation auch eine Unterkunft - und somit auch Coliving. Workation kann sowohl von einzelnen Personen als auch von ganzen Teams eines Unternehmens wahrgenommen werden. Es entspricht somit einer neuen Form des MICE-Tourismus. Als weitere Abgrenzung von Workation sind zudem die Digital Nomads (digitale Nomaden) zu nennen, die über einen längeren Zeitraum unterwegs sind und währenddessen arbeiten - zum Teil mittlerweile sogar mit speziellem Digital Nomad Visa.
Was bietet Workation?
Arbeiten an Urlaubsorten schafft neue Orte für Innovation, Kreation & Erholung zugleich. Neue Orte, an denen sich Menschen begegnen und netzwerken, bringen Abwechslung in stumpfe Arbeitsalltage und können zur Produktivitätssteigerung anregen. Team-Workations sollen zudem den Zusammenhalt von Kollegen stärken.
Arbeiten im Home Office wurde durch die Pandemie so stark vorangetrieben wie nie zuvor. Einige Hotels haben hier die Chance genutzt und Hotelzimmer als Arbeitsräume vermietet. Inbesondere für Menschen, die im Lockdown zu Hause im gleichen Raum mit Partner/Familie den Laptop aufklappen mussten, war dies eine erleichternde Option.
Aber wie schaut es mit der Work-Life-Balance aus?
Unternehmensberaterin und Trainerin Simone Stargardt erklärt im Interview mit Deutschlandfunk, dass die strikte Trennung von Urlaub & Arbeit gar nicht mehr so strikt sein sollte: „Schon allein, weil diese extrem stressige Zeit vor dem Urlaub wegfällt, in der man eine Woche lang versucht, verzweifelt alles leer zu räumen, um mit gutem Gewissen wegfahren zu können. Und auch der ganz schlimme Tag nach dem Urlaub, wenn sich alles stapelt und so 150 Mails im Account sind. Und so ist die Zeit vor dem Urlaub entspannt, nach dem Urlaub entspannt und dadurch auch der Urlaub selbst.“ (zum ganzen Interview)
Arbeiten am Urlaubsort soll also mehr Entspannung in die Arbeit bringen und Stress im Urlaub verringern. Natürlich ist Workation nicht in jedem Beruf möglich. Dennoch hat sich durch den Home-Office-Schub in der Pandemie gezeigt, dass es in viel mehr Bereichen möglich ist als zuvor angenommen.
Wie sollte eine Unterkunft für Workation aussehen?
Wie sehen die Bedürfnisse von Workationers aus? Laut der Travel Trends Study 2021 von Simon, Kucher & Partners (2021) sind dies die wichtigsten Merkmale für den Workation-Arbeitsplatz:
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stabile und schnelle WI-FI-Verbindung
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abgesonderter Arbeitsplatz
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großer Bildschirm, der mit dem Laptop verbunden werden kann
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weitere elektronische Geräte zur Ausleihe
Eine gut ausgebaute Infrastruktur sowohl zum Arbeiten als auch für die Freizeit spielt für Workationers eine wichtige Rolle. Gut erreichbare Erholungsangebote wie auch Sport- und Freizeitaktivitäten für das Erleben der Destination sind für Workationers genauso wichtig wie die Ausstattung des Arbeitsplatzes für ein gesichertes Arbeiten.
Wie sieht das touristische Potenzial für Workation aus?
Workation findet häufig in ländlichen Gegenden statt. Für Regionen mit geringerer Tourismusintensität bieten sich Workation-Unterkünfte somit besonders an. Dennoch ist für Workationers eine gewisse Infrastruktur gefragt. Zwar existieren auch erfolgreiche Selbstversorger-Unterkünfte in abgelegenen Gegenden, diese Konzepte stellen bisher allerdings eher eine Nische dar.
In der Nebensaison können Workationers leere Betten füllen und selbst von einer ruhigen Atmosphäre profitieren und konzentriert arbeiten. Eine Vernetzung von Co-Working Spaces mit Einzelhandel und Erlebnisanbietern erhöht zudem das ökonomische und soziale Wertschöpfungspotenzial in der Destination. Weitere Potenziale und Tipps zur Nutzung von Workation gibt es hier.
Workation in Tirol & in den Alpen
Nicht nur Strand und Palmen, sondern auch der Alpenraum und insbesondere Tirol bieten großes Potenzial für Coworking-Spaces und Workation. Aus diesem Grund haben sich Partner aus Tirol, Südtirol und Bayern grenzüberschreitend zusammengeschlossen und den Verein CoWorkation Alps gegründet. Unter dieser Dachorganisation sind neben UnterkunftgeberInnen auch regionale PartnerInnen und Destinationen als Mitglieder engagiert, um die Entwicklung von Workation-Möglichkeiten im Alpenraum zu unterstützen.
Tirol
In Tirol sind bereits einige Workation-Spots entstanden:
- Der Mesnerhof-C in Steinberg am Rofan bietet mit zwei geräumigenn Häusern (CABIN & CAMP) einen Community Retreat auf Selbstversorgerbasis für bis zu 37 Personen an. Er wurde bereits mit dem New Work Award 2019 sowie mit Office of the Year 2020 ausgezeichnet.
- Das TUI BLUE Fieberbrunn wirbt mit Seilbahnnähe und tiroler Herzlichkeit, die einen fast vergessen lässt, dass man zum Arbeiten hergekommen ist.
- Workation in Sölden bietet verschiedene Packages in der Freizeit Arena Sölden an.
- Im Kesslerstadl in Matrei in Osttirol ist vom Coworking bis zum 3.000er alles dabei. Ferienwohnungen und ein traditionsreicher Veranstaltungsraum lassen mitten im Nationalpark Hohe Tauern kreative Köpfe rauchen.
- #workation am Iselhof macht Arbeiten & Urlaub in besonderer Architektur der Villa Notsch in Lienz in Osttirol möglich.
Österreich
Auch in anderen Bundesländern Österreichs sind bereits Workation-Anbieter kreativ geworden:
- In Saalbach ist Workation bei den Tiroler Buam möglich - hier wird die Arbeit zum Vergnügen, denn Work-Life-Balance wird gegen "Happy-Life-Balance" ausgetauscht.
- Die Tauglerei in St. Koloman bei Salzburg bietet liebevoll eingerichtete Ferienwohnungen, regionale Spezialitäten und ayurvedische Schmankerl und ein Gefühl der Lebendigkeit.
- Das Hotel Schani in Wien hatte bereits vor der Pandemie einen Coworking-Space für Gäste integriert.
- In Wien bietet das Hotel Zoku flexible Arbeitsmöglichkeiten - "Von inspirierenden Coworking Spaces bis hin zu privaten WorkLofts".
... und darüber hinaus:
Über die Landesgrenze hinaus finden sich u.a. in Bayern (z.B. Allgäu) und Südtirol ebenfalls kreative Workation-Hosts. Eine Übersicht zu Angeboten in den Ländern Deutschland, Österreich, Niederlande & Indonesien gibt es hier.
Als international größter professioneller Anbieter gilt bisher Selina - ihr Slogan: Come for the sun, sand, or surf, stay for the spirit and community.
Offene Workations à la Open House werden von Realizing Progress organisiert. Hier läd das Team ein gemeinsam mit ihnen zwei Wochen in einem großzügigen Ferienhaus zu leben, sich auszutauschen und zu arbeiten. Nach offenen Workations an der Algarve und in Sizilien geht es im Oktober 2021 nach Norditalien.
Ausblick
Die Studie vom Bundesministerium für Arbeit (Bachmayer & Klotz, 2021. S. 39) hat gezeigt, dass Homeoffice "auch nach Ende der Pandemie Standard für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Österreichs bleiben" wird. In Form einer Koexistenz zwischen traditionellem Arbeitsplatz und Homeoffice erhöht es die Zufriedenheit bezüglich der Arbeitsergebnisse und Vereinbarkeit mit dem Privatleben. Auch die Studie des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP e.V. (Hofmann et al., 2020, S. 4) kommt zu dem Ergebnis: "Das »New Normal« wird in einem deutlich höheren Maß von einem Nebeneinander virtueller und im Büro stattfindenden Arbeitsformen gekennzeichnet sein."
Für den Tourismus eröffnen sich durch das mobile Arbeiten neue Möglichkeiten, leere Zeiten und Räume zu nutzen. Das Anbieten von Workation-Aufenthalten sollte in jedem Fall gut durchdacht und auf die Customer Journey abgestimmt sein.
Literatur
Bachmayer, W. & Klotz, J. (2021). Homeoffice: Verbreitung, Gestaltung, Meinungsbild und Zukunft. Wien. Bundesministerium für Arbeit. https://www.bma.gv.at/Services/News/Homeoffice-Studie.html
Cappelli, P., & Keller, JR (2013). Classifying work in the new economy. Academy of Management Review, 38(4), 575–596. https://doi.org/10.5465/amr.2011.0302
Hofmann, J., Piele, A. & Piele, C. (2020). Arbeiten in der Corona-Pandemie - Auf dem Weg zum New Normal. Stuttgart, Frankfurt am Main. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation -IAO-; Deutsche Gesellschaft für Personalführung -DGFP-. http://publica.fraunhofer.de/starweb/servlet.starweb?path=urn.web&search=urn:nbn:de:0011-n-5934454
Schwaiger, K., Zehrer, A., & Spiess, T. (2021). The influence of symbolic and instrumental attributes of employer image on perceived industry attractiveness: Differences between business owners and employees. Journal of Hospitality and Tourism Insights, ahead-of-print(ahead-of-print). https://doi.org/10.1108/JHTI-12-2020-0234
Werther, S. (2021). Coworking als Revolution der Arbeitswelt. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62657-3
Denise Fecker MSc
Denise Fecker hat ihren Bachelor in "Mehrsprachige Kommunikation" sowie den Master "Markt- und Medienforschung" an der TH Köln absolviert. Zudem hat sie praktische Erfahrung in einem Kölner Marktforschungsinstitut gesammelt und arbeitet nebenher als Skilehrerin.
"Der TTR als Gesicht der Tiroler Tourismusforschung bringt allen Tourismus-Interessierten spannende Einblicke in aktuelle Themen in ganz Tirol. Um für Tiroler Entscheidungsträger stets fundiertes Wissen bereitzustellen, steht der TTR im ständigen Austausch mit Praxis und Wissenschaft, sodass es immer wieder Neues zu entdecken gibt."
Im TTR Team: seit August 2020
Zuständig für: Inspiration & Tourismusforschung
Bilder (wenn nicht anders angegeben): Tirol Werbung
Datum: 28.09.2021