TTR: Was bedeutet Lebensqualität für die Tourismusregion Wilder Kaiser?
Lukas Krösslhuber: Genau dieser Frage widmen wir uns seit 2017 intensiv im Austausch mit unseren BürgerInnen. Denn Lebensqualität kann man nicht einseitig definieren oder verordnen. Tourismus ist für uns auch kein Selbstzweck, sondern eine von mehreren Möglichkeiten, die Lebensqualität einer Region zu verbessern. Dafür müssen wir uns mit seinen positiven Seiten – etwa Freizeitmöglichkeiten, der Infrastruktur, der Gastronomie, den sozialen Begegnungen und vielem mehr –, aber auch ehrlich mit den negativen Begleiterscheinungen wie dem Verkehr, dem Energie- und Flächenverbrauch, Lärm, Müll oder Menschenmengen auseinandersetzen. Und zusammen Lösungen dafür finden. Damit haben wir uns in den ruhigeren Wintermonaten unter dem Motto „Wandel als Chance“ noch mal intensiv befasst. Daraus ist ein festgeschriebenes Selbstverständnis entstanden, das nun langfristig das Fundament allen touristischen Arbeitens und den Rahmen für die künftigen Strategien bildet. An unser Vision „Lebensqualität durch nachhaltigen Tourismus“ arbeiten wir, indem wir zuhören und den Dialog fördern, Verantwortung für Natur und Gesellschaft übernehmen und dadurch die Wertschöpfung verbessern.
TTR: Haben sich eure Strategie 2024 bzw. eure Werte durch die COVID-19 Krise verändert?
Lukas Krösslhuber: Die pandemiebedingten Debatten darüber, wie sich Tourismus künftig wandeln muss, haben uns in dem nachhaltigen Weg, den wir schon lange vor Corona eingeschlagen haben, bestätigt. Wir haben die Krise als Chance wahrgenommen, diesen verantwortungsvollen Weg noch konsequenter zu beschreiten. Das heißt wir haben auch die Strategie 2024 bereits vor Ablauf unter professioneller Begleitung noch einmal auf den Prüfstand gestellt, an manchen Stellen geschärft und wo nötig, erweitert. Konkret haben wir der Strategie noch die Handlungsfelder „Verantwortung für die Natur“ und „Regionale Kreisläufe“ hinzugefügt und unsere Ziele noch deutlicher formuliert.
TTR: Wie sieht der Umsetzungsplan für die nächsten Jahre aus?
Lukas Krösslhuber: Dieses klare Bekenntnis zu einem nachhaltigen Tourismus auf allen Ebenen wird durch konkrete Projekte und Leistungen untermauert. Sowohl durch bestehende, denen wir uns noch intensiver widmen wollen – von der kostenlosen Vor-Ort-Mobilität, über Green Events und Gemeinwohlbilanz bis hin zum Verzicht auf Feuerwerke. Aber auch neue Projektideen, die direkt aus dem Prozess „Wandel als Chance“ hervor gegangen sind, werden mit enormem Engagement verfolgt. So befasst sich aktuell eine TVB-Projektgruppe mit dem Thema „Urlaub ohne Auto“. Eine andere Gruppe erarbeitet wiederum, wie in Hotellerie und Gastronomie der Müll bedeutend reduziert werden kann. Die dritte Gruppe befasst sich mit dem Schutz der Natur. Eine Übersicht zu allen Projekten gibt es hier nachzulesen.
TTR: Was sind für dich persönlich dabei die größten Herausforderungen in der Umsetzung?
Lukas Krösslhuber: Um hier wirklich Jahr für Jahr Fortschritte zu erzielen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Als erstes braucht es entsprechende Strukturen und Zuständigkeiten, die wir durch die neue Abteilung „Angebot und Lebensraum“ geschaffen haben. Zweitens eine Finanzierung der nachhaltigen Projekte und Maßnahmen, die wir unter anderem durch die Ortstaxenerhöhung 2019 sichergestellt haben. Drittens MitarbeiterInnen, die unser Selbstverständnis leben und auch dann noch an ihren Herzensprojekten weiterarbeiten, wenn sie der Alltag wieder einholt. Last but not least, braucht es jeden und jede Einzelne: BürgerInnen, Gäste, TouristikerInnen, die in ihrem Umfeld kleine Dinge fürs große gemeinsame Ganze umsetzen.
TTR: Katharina, ihr habt ja vergangene Woche nicht nur euer Selbstverständnis präsentiert, sondern auch eine neue Kampagne unter dem Claim #wirzusammen. Worum geht’s dabei?
Katharina Muck: Die Kampagne basiert genauso wie unser Arbeitsprogramm auf den Ergebnissen des Lebensqualitäts-Prozesses. Denn auch wenn der Wilde Kaiser einzigartig ist – schöne Berge haben viele Regionen im Alpenraum. Wir wollen unseren Gästen, aber auch den Einheimischen, offen und ehrlich sagen, wofür wir stehen. Und das bringt #wirzusammen perfekt auf den Punkt: Wir zusammen gestalten seit Jahren diese Region. Wir zusammen entwickeln sie weiter und wir zusammen sind der Schlüssel zu einer lebenswerten Zukunft. Uns ist sehr wichtig, dass wir in unserer Kampagne ausschließlich Inhalte kommunizieren, die keine leeren Hülsen sind, Stichwort: Greenwashing. Alles, was wir nach außen tragen, basiert auf unseren konkreten Projekten. Denn zur Glaubwürdigkeit gehört eben auch, nicht nur schöne Sujets zu präsentieren – sondern auch die Leistungsbeweise zu erbringen. Dazu zählen wie vom Geschäftsführer bereits erwähnt sowohl jene Projekte, wo wir in der Umsetzung schon sehr weit sind – wie beispielsweise die Vor-Ort-Mobilität – wie auch jene, die wir gerade erst starten.
TTR: Wie geht ihr sicher, dass diese Vision von möglichst vielen Einheimischen mitgetragen wird – gibt es sowas wie „Innenmarketing“ zur Kampagne?
Katharina Muck: Ja, das gibt es: Wir werden etwa Postkarten an alle Haushalte der Region schicken – das machen wir immer wieder, wenn es relevante Infos für die hier lebenden Menschen gibt. So auch im Rahmen von #wirzusammen. Darüber hinaus wird es auch Plakate, Inserate und Co zur neuen Kampagne geben, damit sie wirklich alle erreicht. Zudem haben wir auch einen eigenen Newsletter für Einheimische und freuen uns immer über Anregungen auf allen Kanälen.
Warum wir uns so um die Kommunikation mit der ganzen Region bemühen? Die beste Chance, dass die Vision von möglichst vielen mitgetragen wird ist die Möglichkeit zur Teilhabe. Alles, was wir nun als Ergebnis präsentieren konnten, basiert ja auf jahrelangem Austausch mit jenen, die es betrifft. Dadurch finden sich auch die meisten nun im Ergebnis wieder, denn viele der konkreten Projekte wurden ja durch die Bürger:innen selbst angestoßen. Ein Beispiel wäre der „Marktplatz Wilder Kaiser“: In den Runden wurde immer wieder über die hohe Qualität unserer regionalen Produkte und wie man das noch bekannter machen kann gesprochen – heute gibt es eine Info-Plattform und wir produzieren Videos und Blogbeiträge, in denen wir unsere Produzent:innen vor den Vorhang holen. Genauso wollen wir das auch weiter betrieben.
Ausführliche Informationen zum Lebensqualitäts-Projekt am Wilden Kaiser sowie zu konkreten Projekten und der Kampagne #wirzusammen findet ihr hier.
Katharina Muck & Lukas Krösslhuber, TVB Wilder Kaiser
Katharina Muck hat die Ausbildung zur Kommunikationswirtin am WAK Köln absolviert. Sie ist seit 20 Jahren im Marketing tätig und hat dabei sowohl die Firmen- als auch die Agenturseite gesehen. Seit Ende 2018 leitet sie den Bereich Marketing & Kommunikation des TVB Wilder Kaiser.
Lukas Krösslhuber ist seit 2011 Geschäftsführer des Tourismusverbandes Wilder Kaiser. Zuvor zeichnete er für die Kitzbüheler Alpen Marketing GmbH verantworltich, einer Dachmarketinggesellschaft für vier Tourismusverbände mit 19 Standorten. In den Neunzigern hat er in Innsbruck Wirtschaftswissenschaften mit Marketingschwerpunkt und Sportwissenschaften mit Schwerpunkt Sportmanagement studiert.
Bildnachweis: TVB Wilder Kaiser
Datum: 07.06.2021