TTR: Seit wann gibt es den Naturpark Karwendel und welche Aufgaben erfüllt er heute?
Hermann Sonntag: Das Schutzgebiet in seiner ursprünglichen Form besteht bereits seit 1928, den Naturpark in seiner heutigen Struktur gibt es seit 2008. Durch die Gründung des Trägervereins mit sämtlichen Gemeinden, Tourismusverbänden, Grundbesitzern etc. hat sich in der Zusammenarbeit schon eine neue Qualität ergeben und es ist gelungen ein großteils gemeinsames Bild für den Naturpark Karwendel zu entwickeln. Unsere Aufgaben sind im 5-Säulenmodell „Naturschutz“, „Tourismus & Erholung“, „Umweltbildung“, „Wissen & Forschung“, sowie „Regionalentwicklung“ gut abgebildet. Im Rahmen dieser thematischen Schwerpunkte haben wir uns Ziele gesetzt und versuchen diese gemeinsam mit den regionalen Akteuren und zahlreichen anderen Partnern umzusetzen. Inzwischen haben wir Kooperationen mit mehr als 100 Institutionen. Diese reichen von Artenschutzprojekten im Wald, Almpflege mit Freiwilligen, Entwicklung von Besucherzentren und Themenwegen, Besucherlenkung bis zu Naturparkschulen und Forschungsprojekten mit den Universitäten.
TTR: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen dem NP Karwendel und der Tourismusbranche aus?
Hermann Sonntag: Die Tourismusverbände sind ordentliche Mitglieder und damit ein wesentlicher Teil des Naturparks. Sie engagieren sich auch im Verein im Rahmen der Vorstandstätigkeit. In der Region selbst haben wir zahlreiche Angebote für Gäste und Einheimische entwickelt, engagieren uns in der Besucherlenkung und haben – wie beispielsweise in Scharnitz – ein gemeinsames Infozentrum gebaut, das nun vom Tourismusverband betrieben wird. Die Zusammenarbeit hat sich in den letzten 12 Jahren deutlich intensiviert und verbessert. Es gibt aber auch zahlreiche Kooperationen mit den Hütten, Alpenvereinen und anderen touristischen Anbietern vor Ort. Ein meines Erachtens besonders gelungenes Projekt ist der „Karwendel Höhenweg“. Es bedurfte dafür keinerlei neuer Wege und Infrastruktur, sondern nur einer geistigen Zusammenführung und vieler, vieler Gespräche.
TTR: Welche Spannungsfelder und Herausforderungen ergeben sich für den NP Karwendel in Bezug auf seine touristische Nutzung?
Hermann Sonntag: Die Spannungsfelder sind sicher die klassischen negativen Begleiterscheinungen des Massentourismus. Es gibt bei uns einige, wenige Stellen, wo der Erholungswert durch zu viel an Leuten, Autos etc. einfach getrübt ist. Hier ist punktuell schon einiges gelungen, aber es gilt da noch deutlich mehr zu tun – insbesondere bei den touristischen Anbietern vor Ort. Die Tourismusregionen selbst sind hier oft schon „deutlich weiter“. Ein gutes Beispiel dafür ist die derzeitige Achtsamkeits-Kampagne des TVB Achensee. Dass ein Tourismusverband so etwas macht, wäre aus meiner Sicht vor 10 Jahren undenkbar gewesen. Insgesamt wird die Frage der Besucherlenkung zukünftig noch besonders an Bedeutung gewinnen, weil der Megatrend „zurück zur Natur“ sicher nicht so schnell abflachen wird und es ja prinzipiell total verständlich ist, dass man gerne draußen sein will. Wichtig ist dabei aber, dass die BesucherInnen ein Mindestmaß an Verständnis für Sensibilität des alpinen Raums aufbringen. Wir sollten uns als Gast im Naturpark fühlen und wissen, dass hier auch noch viele andere leben!
Hermann Sonntag, Geschäftsführer Naturpark Karwendel
Mag. Hermann Sonntag, Jahrgang 1975, hat in Innsbruck Biologie und Zoologie studiert und war 10 Jahre für den WWF tätig, bevor er 2008 seine Tätigkeit vom Naturpark Karwendel begann; neben seiner Geschäftsführertätigkeit ist er auch für zahlreiche Naturschutzprojekte und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Fotonachweis: Naturpark Karwendel
Datum: 05.10.2021