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Lebensqualität am Wilden Kaiser

Der Tourismus am Wilden Kaiser boomt. Pro Saison wird mittlerweile rund eine Million Nächtigungen verzeichnet. Berechtigterweise stellt sich die Frage: Welcher und wie viel Tourismus tut der Region gut?
Lebensqualität am Wilden Kaiser
Seit Frühling 2017 widmen sich die Gemeinden Going, Ellmau, Scheffau, Söll und der Tourismusverband Wilder Kaiser dem Prozess „Lebensqualität am Wilden Kaiser“ mit dem Ziel die Lebensqualität für jeden einzelnen Bürger zu verbessern.

TTR: Wie ist das Projekt "Lebensqualität am Wilden Kaiser“ entstanden?

Lukas Krösslhuber: Die Idee dazu hatte mehrere Väter. Gastfreundschaft und Wertschätzung sind wesentliche Bestandteile unserer Marke/ DNA/ Kultur. Die durchwegs positive Tourismusgesinnung der Bevölkerung zu erhalten bzw. noch zu verbessern waren schon lange unser Anliegen, nur wussten wir nicht wie.

Auch sind die Gästezahlen im Sommer in nur drei Jahren um 25% gewachsen, was unser Angebot wie Mobilität, Gästeprogramme, Parkplätze etc. an die Grenzen gebracht hat. Wir wollten in Zukunft nicht mehr so schnell wachsen und brauchten dazu eine Alternativstrategie.

Auch wollte ich „die richtige“ Antwort parat haben, für den Fall dass externe Hotelbetreiber bei den Gemeinden um Grundstücke anfragen. Wollen wir neue Häuser, Betten und wenn ja welche? 

Und viertens ist uns das Hauptargument für quantitatives Wachstum, mehr Arbeitsplätze nämlich, in Zeiten von Fachpersonalmangel abhandengekommen. Als TVB-Geschäftsführer, der bisher am quantitativen Erfolg in Form von Übernachtungen gemessen wurde, wollte ich neue Erfolgsparameter haben.

Damit war auch schnell klar, dass die Frage nach „Wie viel Tourismus“ nicht die richtige sein kann, sondern die Frage lauten muss „Wie muss Tourismus gestaltet sein?“

Das Projekt hieß anfangs übrigens „Lebensqualität durch Tourismus“. Um im Thema breiter zu sein haben wir es bald mal auf „Lebensqualität am Wilden Kaiser“ umbenannt, was eine sehr gute Entscheidung war, da wir so auch die Nicht-Touristiker gut erreichen konnten. Auch der Begriff Lebensraum stand zur Diskussion, wir haben uns jedoch gegen diesen räumlichen und für den wertenden Begriff „Qualität“ entschieden.

 

TTR: Wie ist das Projekt abgelaufen?

Lukas Krösslhuber: Auf der Meta-Ebene wurden die Kernthemen erarbeitet und dann Maßnahmen dazu entwickelt. Diese wurden dann priorisiert und ein bis drei Maßnahmen sind dann zu eigenständigen Projekten geworden: einige davon groß und teuer (Tiroler Almrind, Umweltschule, Personal Regional), anderer klein und fein (Dialogabende, Infoevent für Wohnungssuchende, Bewusstseinsbildung für Hundebesitzer).

Erstaunlich war, wie gut die Teilnahme am Dialog war und wie dankbar die gefühlt „vom Tourismus betroffenen" Personen waren, dass endlich auch mal ihre Meinung gefragt war. Ebenso hat mich erstaunt, wie stark sich Meinungen und Vorurteile von Personen im Laufe nur eines Halbtages geändert haben.

Workshop_Lebensqualität im Tourismus

TTR: Was sind die Ergebnisse des Projektes und wie wird das Projekt weitergeführt?

Lukas Krösslhuber: Die Ergebnisse bzw. Folgeprojekte zu den einzelnen Kernthemen habe ich skizziert. Auf der Meta-Ebene wird es 1 -2 Mal jährlich ein Treffen von Entscheidungsträgern und Projektverantwortlichen geben, um über Erreichtes, noch zu Erreichendes und neue Herausforderungen zu sprechen.  Auch die Dialogabende zähle ich eigentlich zur Meta-Ebene, weil hier sicher viele neue Aspekte zu Tage treten werden.

Abseits der Projekte zeichnet sich für mich ab, dass drei Ansätze besonders dazu geeignet sind, die Lebensqualität am Wilden Kaiser zu heben:

1. Den Tourismus für Einheimische wieder attraktiv machen, sei es als Unternehmer, Privatvermieter oder Mitarbeiter. Das würde das Tourismuswissen und damit die Gesinnung heben. Es würden mehr Personen am touristischen Erfolg teilhaben. Es würden weniger Unterkünfte für Saisonarbeiter gebraucht, die Touristiker hätten loyale Mitarbeiter, der Gast authentische Erlebnisse, es gäbe eine Verkehrsreduktion durch Arbeitsplätze in Gehweite, …

2. Eine Abflachung der saisonalen Spitzen, also keine neuen Kapazitäten, aber bessere Auslastung in der Vor-, Nach- und Zwischensaison. Dadurch würde der Druck in der Hochsaison nicht steigen, das Angebot in der Nebensaison aber besser sein (Dorfgasthaus geöffnet). In der gehobene Hotellerie, bei den Bergbahnen etc. würden Ganzjahresarbeitsplätze (mit familienfreundlicheren, geregelteren Arbeitszeiten) entstehen.

3. Vermeidung bzw. Verlagerung von touristischem Individualverkehr (auch wenn ein Großteil des Verkehrs hausgemacht ist). Stau und Parkplatzsuche ist immer lästig, es sind immer die anderen Schuld, auch wenn jeder Autofahrer Teil des Problems ist. Der Vorteil hier ist, dass die öffentliche Hand (inkl. TVBs) im Gegensatz zu den beiden anderen Themen direkte Gestaltungsmöglichkeiten hat. Weniger Verkehr ist auch ein großer Nutzen für den Gast.

Als TVB-Geschäftsführer freue ich mich sehr, nun klare Ziele für die touristische Entwicklung der Region Wilder Kaiser zu haben, bei denen die Lebensqualität der Bewohner und nicht Übernachtungen oder Umsatz im Vordergrund stehen. 

 

Lukas Krösslhuber

Lukas Krösslhuber, Geschäftsführer des TVB Wilder Kaiser

Lukas Krösslhuber ist seit 2011 Geschäftsführer des Tourismusverbandes Wilder Kaiser. Zuvor zeichnete er für die Kitzbüheler Alpen Marketing GmbH verantworltich, einer Dachmarketinggesellschaft für vier Tourismusverbände mit 19 Standorten. In den Neunzigern hat er in Innsbruck Wirtschaftswissenschaften mit Marketingschwerpunkt und Sportwissenschaften mit Schwerpunkt Sportmanagement studiert.