Das Hauptthema der diesjährigen Konferenz beschäftigte sich mit "Tourismusentwicklung und -politik". Zur Eröffnung wurde aus diesem Grund der Tiroler Weg als Tourismusstrategie des Landes Tirol von Hubert Siller vorgestellt. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Karin Seiler (Geschäftsführerin Tirol Werbung), Monika Bandi-Thanner (Leiterin des CRED-T in Bern), Mario Gerber (Landesrat für Tourismus, Wirtschaft und Digitalisierung des Landes Tirol) und Jürgen Schmude (DGT Präsident), wurden unterschiedliche Ansätze in der Tourismuspolitik zwischen den drei DACH-Ländern, den Lebensraum-Gedanken, Ganzjahrestourismus, notwendige Dialogformen für mehr Tourismusbewusstsein sowie die Ausrichtung auf eine nachhaltige Tourismusentwicklung diskutiert. Die Sessions am Freitag und Samstag enthielten eine Vielzahl an Themen. Wir präsentieren euch hier nur eine Auswahl der Vorträge.
Viele Beiträge beschäftigten sich mit dem Thema der nachhaltigen Tourismusentwicklung aus unterschiedlichen Perspektiven:
- Florian Gasser (Universität St. Gallen) und Mauro Luis Gotsch (Fachhochschule Graubünden) stellten in ihrem Vortag "Nachhaltigkeitskommunikation im Skitourismus: Auswirkung von verschiedenen Kommunikationsstilen auf die Kundenwahrnehmung und ihr Nachhaltigkeitsverhalten" das Verhältnis von "Greenwashing" und "Greenhushing" in der Kommunikation von Skitourismus vor. In einem experimentellen Setting wurde gezeigt, dass Skigebiete über eine transparente, ehrliche und reflektierte Kommunikation und ein aktives Einbinden der Kund:innen die Nachhaltigkeitsmaßnahmen an die Zielgruppe herantragen können. Der Vortrag enthielt wertvolle Erkenntnisse, wie nachhaltige Bemühungen im Skitourismus an die Zielgruppe kommuniziert werden können.
- Luisa Ehrenzeller (HES-SO Valais-Wallis) stellte in ihrem Beitrag "Do We Offer What They Ask For? Comparing Sustainable Consumer Demands With Sustainability Offers Of International Tour Operators" das Zusammenspiel von nachhaltigem "Product Packaging" bei internationalen Tour Operators in den Vordergrund. Während die Nachfrageseite Nachhaltigkeit als ein Asset für eine tieferes Verständnis und Reisen in der Destination sieht, herrscht bei der Anbieterseite noch die Sorge, dass sich Nachhaltigkeit negativ auf den Preis auswirken könnte. In der Kommunikation dieser Packages sollten die konkreten Einflüsse auf das Empfinden der Kund:innen im Zentrum stehen und weniger der Hinweis auf Policies.
- Birgit Bosio und Paula Hackner (MCI Tourismus) beschäftigten sich in ihrer Studie "Tourismus im Spannungsfeld der SDGs - eine Stakeholder:innen Analyse der Destination Ötztal" mit der Anwendung des Wedding Cake Models auf Destinationsebene am Beispiel einer alpinen Destination. Durch die Verknüpfung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit mit den Sustainable Development Goals (SDGs) dient dieses Modell einerseits als wichtiges Tool, um Nachhaltigkeitsthemen auf allen Ebenen zu erfassen, und andererseits als ganzheitliche Visualisierung aus Sicht der Stakeholder:innen, wo eine Destianation in Bezug auf seine Nachhaltigkeitsbestrebungen steht.
- Robert Steiger (Universität Innsbruck) präsentierte eine Studie zum Thema Emissionen im Beherbergungssektor und wie energiesparende Maßnahmen von Gästen wahrgenommen werden. Mittels eines "online-choice-experiments zu technologie-orientierten und verhaltens-orientierten Maßnahmen, stellte sich heraus, dass die Raumtemperatur der wichtigste Faktor für Gäste darstellt. Mittels zwei gebildeter Cluster lassen sich unterschiedliche Handlungsempfehlungen für umweltaffine Gäste ableiten. Ein konkretes Beispiel wäre bspw. das Angebot eines Vouchers für jene Gäste, die die Raumtemperatur auf unter 20 Grad Celsius einstellen.
- Marius Mayer, Annika Schlachter und Robert Steiger (Universität Innsbruck) stellten die Ergebnisse zur Studie "The Influence of Snow Reliability on Accommodation, and Lift Ticket Prices in Tyrol, Austria – An Application of the Hedonic Pricing Method" vor. Diese zeigte, dass schneesichere Wintersportdestinationen höhere Preise für Unterkünfte und Skipässe aufrufen können.
- In ihrer Präsentation über die Auswirkungen des Klimawandels im Sommer-Bergtourismus, stellte Katharina Pöll (Universität Innsbruck) einen Literaturanalyse mit dem Fokus auf Anpassungen und Auswirkungen des Klimawandels im Sommer-Bergtourismus vor. Das Thema gewinnt zwar in der Tourismusforschung zunehmend an Bedeutung, dennoch ist die Datenlage nach wie vor schwach. Vor allem der Globale Süden ist hier, wie auch in anderen Themenbereichen, nur wenig erforscht. Eine Meta-Analyse der Studien zeigt, dass Bergregionen im Sommer zu Zufluchtsorten vor Hitze dienen können, der Klimawandel jedoch auch die Risiken von Bergsport (bspw. durch Naturereignisse wie Hangrutschungen und Bergstürze) erhöht. Wasserknappheit und Waldbrände zählen als weitere Risiken für den Sommer-Bergtourismus. In hohen Lagen wird zudem das Phänomen des "Last Change Tourismus" auf Gletschern beobachtet.
- Elena Eckert (Leuphana Universität) behandelte das Thema "Resilienz in Destinationen". Einerseits entwickelte Sie hierfür aussagekräftige Indikatoren, stellte aber zugleich den oftmals verwendeten "top-down approach" in Frage, der bei der Entscheidung, welche Indikatoren anzuwenden sind, häufig verwendet wird. Sie rät zu einer hybriden Methode und weist darauf hin, dass der lokale Kontext ein wesentlicher Faktor bei der Auswahl geeigneter Indikatoren ist. Bezüglich der Messung von Resilienz erklärt Frau Eckert, dass es deutliche Unterschiede zur Messung von Nachhaltigkeit gibt und statische versus dynamische sowie globale versus lokale Faktoren dabei eine wesentliche Rolle spielen.
- Günther Aigner (Universität Innsbruck) präsentierte die Ergebnisse einer Studie zum Energieverbrauch und Wasserbedarf bei der Verwendung von Schneekanonen in österreichischen Skigebieten. Mittels eines Fragebogens konnten aktuelle Daten von Skigebieten in Österreich erhoben werden. Der hochgerechnete gesamte jährliche Wasserbedarf beläuft sich auf 43,9 Millionen Kubikmeter, der Energieverbrauch auf 210 GWh und die jährlichen CO2 Emissionen auf 4.838 Tonnen. Ein Vergleich mit einer aktuellen kanadischen Studie zeigt einen wesentlich niedrigeren Energieverbrauch und niedrigere CO2 Emissionen in Österreich.
- Den Zusammenhang von der Beschäftigung von Landwirt:innen und deren Vermietung untersuchten Matthias Firgo (Hochschule München) und Dieter Pennerstorfer (JKU Linz). Sie zeigten auf, welcher kausale Zusammenhang zwischen Landwirtschaftsbetrieben mit bzw. ohne Übernachtungsmöglichkeiten und dem Überleben der Betriebe besteht. Im Durchschnitt erhöht die touristische Vermietung bei landwirtschaftlichen Betrieben die Überlebenswahrscheinlichkeit über ein Jahrzehnt im Schnitt um mehr als 10 Prozentpunkte, jedoch nur bei einer Betriebsgröße von bis zu 15 Betten.
Der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit wurde hier Raum gegeben:
- Monika-Bandi Tanner (CRED-T Bern) zeigte die Notwendigkeit auf, dass sich der Tourismus mit dem Thema "Genderequality" beschäftigen muss - einerseits in der Praxis, andererseits aber auch in der Forschung. Präsentiert wurde hier auch die Gründung eines neuen Schweizer Netzwerkes namens "Equality4Tourism" als Initiative vieler unterschiedlicher Tourismusstakeholder.
- Nachfolgend setzten Magdalenda Obermair und Monica Nadegger (Universität Innsbruck & MCI Innsbruck) mit einer "queer-intersektionalen Perspektive in der Tourismusforschung als Tool für emanzipative, soziale Kritik" an. Anhand von qualitativen Interviews mit Tourismusforscherinnen, konnten sie aufzeigen, dass die Tourismusforschung nach wie vor stark männlich, weiß und westlich besetzt ist.
- Das Thema Destination Commitment wurde in zwei Beiträgen erörtert. Im Vortrag von Denise Fecker, Anita Zehrer (MCI Innsbruck) und Mike Peters (Universität Innsbruck) als konzeptionelle Einordnung. Hier wurde die Bindung von Mitarbeitenden im Tourismus nicht nur auf organisationaler Ebene, sondern auch auf Destinationsebene diskutiert. In bisheriger Forschung wurden die Themen Mitarbeiterbindung und Ortsbindung noch nicht ausreichend miteinander verknüpft. In ihrem Forschungsmodell verbindet Denise Fecker diese beiden Perspektiven und zeigt, wie zukünftige Forschung die Bindung von Mitarbeitenden aus der Raumperspektive untersuchen könnte.
- In der Studie "Commitment in Tourismusverbänden Organisationales und Destination Commitment in Tirol" beschäftigten sich Denise Fecker, Anita Zehrer, Hubert Siller und Frieda Raich (MCI Innsbruck) mit der Frage, ob Mitarbeitenden in Tiroler TVBs sowohl ein Commitment zu ihrer arbeitgebenden Organisation als auch zur Destination als Arbeitsort aufweisen. Es wurden verschiedene Einflussfaktoren für beide Commitmentziele (Organisation & Destination) identifiziert und ein Zusammenhang zwischen beiden Commitmentformen bestätigt. Sowohl "Organisational Commitment" als auch "Destination Commitment" tragen positiv zur Weiterempfehlung des Arbeitgebers und des Arbeitsorts bei. Die Studie zeigt, dass die Bindung zur Destination einen wichtigen Faktor für die Mitarbeiterbindung im Tourismus darstellt und hebt die Relevanz der Zusammenarbeit von Stakeholdern innerhalb einer Destination hervor.
- Stefanie Haselwanter und Anita Zehrer (MCI Innsbruck) behandelten die "Unternehmerische Motivation im Kontext von kleinen und mittleren Familienunternehmen im Tourismus". Die Studie zeigt auf, wie Motivationen sowohl von familiären Faktoren als auch von kontextuellen Faktoren aus dem Destinationsumfeld beeinflusst werden. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde eine Typologie der unternehmerischen Motivationen von Familienunternehmer:innen im alpinen Tourismus abgeleitet.
Tourismuspolitische Visionen standen ebenso im Zentrum einiger spannender Präsentationen:
- In der Studie "Tourismuspolitik vor dem Hintergrund einer Transformation in Bayern? – Ausgewählte empirische Erkenntnisse und Überlegungen" von Markus Pillmayer & Katrin Eberhardt (Hochschule München) wurde der Fokus auf die bayrische Tourismuspolitik in der COVID-19 Pandemie gelegt und die Resilienz der Branche gegenüber sogenannten „wicked Problems“. Katrin Eberhardt und Markus Pillmayer von der Hochschule München kritisieren hier die fehlende Wertschätzung und politische Berücksichtigung des Tourismus in der politischen Entscheidungsfindung während der Krise. Als mögliche Ursachen wird hier eine fehlende Zuordnung zu politischen Entscheidungsträgern und eine fehlende kollektive Repräsentationsfigur für die verschiedene Sub-Branchen (Destinationen, Hotellerie, Gastronomie) genannt. Um die Tourismuswirtschaft hier als systemrelevante Branche zu verstehen, bedarf es daher strategischer und faktenbasierter Ansätze für die Tourismuspolitik.
- Im Vortrag von Ralf Vogler (Hochschule Heilbronn) zum Thema "Tagestourismus im regionalen Kontext und die Rolle kommunaler Tourismuspolitik – Erkenntnisse aus dem hessischen Kinzigtal" wurde im hessischen Kontext das Zusammenspiel von Regionalpolitik, Freizeitnutzung und Tourismuspolitik diskutiert. Gemeinsam mit mehreren kleinen Kommunen diskutiert Ralf Vogler hier die Schwierigkeiten, wenn z.B. Kommunen und Destinationen nicht deckungsgleich sind und hier das Selbstverständnis als Destination fehlt. Tourismus wird hier dann oft nur als Naturschutz verstanden, der Kommune als Mikrodestination fehlt jedoch das aktive Verständnis für das Management von Tourismus und Naherholung.
Auch die Themenbereiche Servicequalität, das Verhalten von Konsument:innen im Tourismus und speziell der Bereich "Mindful Travelling" wurden behandelt:
- In der Präsentation "Trends im Reiseverhalten der „Next Traveler Community“ – Erkenntnisse und Implikationen für das touristische Ökosystem" von Vanessa Borkmann, Katharina Dienes, Constanze Heydkamp (Fraunhofer IAO Stuttgart) sowie Ronja Gaulinger (IAT Stuttgart) stand das generationsbezogene Reisen mit Fokus auf die Generation Z im Mittelpunkt. Über eine mehrstufige Datensammlung und -analyse mit einer Panelbefragung, Interviews, und Innovation Breakfasts wurden Trends im Reiseverhalten der Generation Z diskutiert. Kernaspekte sind hier Social Media und die „instagrammable Destination“ sowie das Angebot im Bereich ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Zudem gewinnt "Workation" als neues Arbeits- und Reisemodell für diese Generation an Bedeutung und soziale Kontakte und Communities stehen im Vordergrund. "Virtual Travel" hingegen spielt als erster Blick in die Destination eine Rolle.
- Axel Dreyer (Hochschule Harz) und Jens Rüdiger (IU Internationale Hochschule) gaben einen Abriss über 30 Jahre Servicequalität im Tourismus. Diskutiert wurde dabei, ob wir den "Experience"-Gedanken zukünftig nicht nur in der Angebotsentwicklung mitdenken müssen, sondern auch in der Akquise und der Bindung von Mitarbeitenden.
- Christian Mayer und Nico Stengel (Hochschule Kempten) widmeten sich dem starken Wachstum der Campingbranche. Die Referenten beleuchteten die Veränderungen, die dieses Wachstum mit sich bringt, und diskutierten die Erwartungen sowohl erfahrener als auch neuer Camper für die Zukunft.
- Carola May (IU Internationale Hochschule) präsentierte eine kulturvergleichende Analyse zum Thema "Adventure Tourism". Dabei wurde die Verwendung des Begriffs "Abenteuer" im Freizeit- und Tourismusbereich unter die Lupe genommen. Die Untersuchung beleuchtete, ob der Begriff "Abenteuertourismus" gleichbedeutend mit "Outdoortourismus" ist und welche kulturellen Unterschiede dabei eine Rolle spielen.
- Katharina Stiebler, Markus Kreuzberger, Wolfgang Aschauer (Universität Salzburg) und Florian Nemetz (WU Wien), präsentierten Einsichten aus ihrer ethnographischen Studie zum "Mindful Traveling" im Yoga-Retreat auf Koh Phangan. Die Forscher gewährten tiefe Einblicke in die Reise zu sich selbst, die durch die Praxis des "Mindful Traveling" ermöglicht wird.
Abgerundet wurde das intensive Tagungsprogramm von einer Abendveranstaltung auf der Nordkette bei hochalpinem Schneesturm sowie kulinarischen Beiträgen der Axamer Bäuerinnen und dem Futterkutter.
Für die perfekte Organisation im Vorfeld und reibungslosen Ablauf während der Veranstaltung waren Ingrid Kausl und Elodie Puraye vom MCI Tourismus verantwortlich. Besten Dank hierfür!
Dr. Birgit Bosio
Birgit Bosio hat den ersten Diplomjahrgang des MCI Tourismus absolviert und anschließend zwei Jahre in der Marktforschung der Tiroler Werbung gearbeitet. Gemeinsam mit Hubert Siller (MCI) und Michael Brandl (ehemals TW) zeichnet sie für die Entstehung des TTR verantwortlich. 2016 hat sie an der Universität Salzburg promoviert.
“Die Arbeit mit dem TTR ist spannend, da man sich täglich mit neuen Entwicklungen & Trends beschäftigen und ständig am Ball bleiben muss. Gleichzeitig stellt es aber dauernd eine Herausforderung dar, dem Nutzer diese Informationen kundengerecht und in der richtigen Dosis interessant aufzubereiten.”
Im TTR Team seit: November 2006
Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Content Management, Social Media