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Corporate Regional Responsibility

Wieso Unternehmen nicht nur Verantwortunng für ihren eigenen Betrieb und ihre Mitarbeiter, sondern für die gesamte Region übernehmen
Seilbahn Photo by Denis Linine on Unsplash
Verena Schröder MA beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit der Verantwortungsübernahme von Unternehmen für ihren Standort. Dieses relativ neue Konzept birgt einige Vorteile gerade für die touristische Entwicklung einer Region in sich.

TTR: Was versteht man unter Corporate Regional Responsibility (CRR)?

Verena Schröder: CRR bedeutet die freiwillige Verantwortungsübernahme von Unternehmen für ihren Standort bzw. „ihre“ Region, in die das Unternehmen als handelnder Akteur eingebettet ist. Der Begriff leitet sich von dem bekannten CSR-Konzept (Corporate Social Responsibility) ab, stellt dabei allerdings die räumliche Komponente stärker in den Mittelpunkt. Wie wir alle wissen, erzeugen private Unternehmen mit ihren Aktivitäten nämlich nicht nur unternehmensintern Effekte, sondern sind von diesen ebenso das Unternehmensumfeld, regionale Bewohner*innen sowie die ökologische Umwelt davon betroffen. Betriebe, die sich aktiv im Bereich CRR engagieren möchten, nehmen also die Region in den Blick und versuchen hier ihre Ressourcen beispielsweise in Soziale Innovationen oder umweltbezogene, kultur- und bildungsfördernde Projekte – die vielleicht nicht unmittelbar mit dem eigenen Geschäftsbereich in Verbindung stehen – gezielt zu investieren. Während die einen Unternehmen dafür eine neue Abteilung einrichten oder einen Verein gründen, ziehen andere das Modell einer gemeinnützigen GmbH, einer Stiftung oder einer öffentlich-privaten Partnerschaft vor.

 

TTR: Welche Vorteile erwarten sich Unternehmen dadurch?

Verena Schröder: Die Erwartungen an CRR variieren von Betrieb zu Betrieb. Vielen geht es aber darum, ihr Kapital für regionale Aktivitäten nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt und strategisch einzusetzen. Dies erfordert die Entwicklung einer Verantwortungsstrategie im Vorhinein, welche das thematische Förderspektrum festlegt und an die spezifischen regionalen, gesellschaftlichen und unternehmerischen Gegebenheiten angepasst ist. Eine festgeschriebene Förderlogik schafft Transparenz – sowohl inner- als auch außerbetrieblich – und reduziert die Angreifbarkeit von Unternehmen. Weitere Motive für CRR sind die Entwicklung neuer Geschäftsfelder oder die Gewinnung neuer Kooperationspartner. Darüber hinaus erwarten sich private Akteure von ihrem Engagement langfristig einen Imagegewinn, eine erhöhte Identifikation der Mitarbeiter*innen mit dem Betrieb, niedrigere Fluktuationsraten, mehr Akzeptanz von Bewohner*innen der Region oder das Lukrieren qualifizierter Arbeitskräfte. Schöne Beispiele für CRR mit positiver Wirkung auf das eigene Unternehmen, die Region und die Gesellschaft sind beispielsweise die Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen, Aus- und Weiterbildungsangebote in zukunftsweisenden Themenbereichen oder die Subvention der fahrradbasierten Anreise an den Arbeitsplatz. Letzteres Beispiel ist gesundheitsfördernd, umweltschonend und hat im besten Fall eine Reduktion von Parkplatzflächen zur Folge, die alternativ genutzt werden können.

 

TTR: Gibt es Dinge, die es besonders zu beachten gilt?

Verena Schröder: Ja, eine ganze Reihe! Es sollte stets bedacht werden, dass Unternehmen keine demokratisch legitimierten Akteure sind und in Form von CRR häufig Aufgaben der öffentlichen Hand übernommen werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass CRR unter Einbezug von Gemeindevertreter*innen, lokaler Vereine, Bewohner*innen sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen erfolgt – einerseits um die Bedürfnisse der Menschen einzufangen, andererseits aber auch um Ownership in der Region zu erzeugen. Eine engagierte Idee für die Region kann noch so klug sein, wenn sie aber von keinem getragen und gelebt wird, ist sie sinnlos. Partizipation ist also ein wesentliches Element von CRR und kann sich beispielsweise bei Vorhaben in den Bereichen öffentlicher Raum oder Mobilität positiv bezahlt machen. Sie erweitert den eigenen Blickwinkel, ebenso lassen sich Vorbehalte, Bedenken und Argumente durch sie frühzeitig erkennen und entkräften. Wichtig dabei ist nur, keine falschen Hoffnungen zu wecken und bereits im Vorfeld den zeitlichen und thematischen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen sowohl Mitsprache als auch Mitentscheidung möglich sind. Eine weitere Sache die es noch zu beachten gilt, liegt in der Ausarbeitung der Strategie. Diese sollte visionär und gemeinwohl- sowie zukunftsorientiert angelegt sein und nicht von Einzel- und kurzfristigen Interessen dominiert werden.

 

TTR: Ist CRR ein wirksames Instrument zur Förderung einer nachhaltigen Regionalentwicklung?

Verena Schröder: Ich würde sagen ja, wenn der CRR-Idee ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde liegt. Einmal davon abgesehen, dass Nachhaltigkeit ein normativer Begriff ist, sollte darauf geachtet werden, dass CRR nicht einseitig konzipiert wird, indem ausschließlich harte Infrastrukturmaßnahmen oder ökologische Projekte gefördert werden. Es wäre eine seltsame Kurzsichtigkeit, in der Umsetzung von regionaler Nachhaltigkeit allein die Attraktivierung öffentlicher Räume oder neue Energie- und Mobilitätskonzepte zu sehen. Geistes- und sozialwissenschaftliche Zugänge werden nicht weniger benötigt, um neues Denken zu ermöglichen. Deshalb ist es wichtig, Im Rahmen von Projekten Bewusstseinsbildung zu betreiben und gesellschaftliche Lernprozesse einzuleiten – sowohl bei Jung als auch bei Alt.

 

TTR: Spielt Tirol hier eine Vorreiterrolle?

Verena Schröder: Jein, hier gilt es zu differenzieren. Es gibt eine Reihe von Tiroler Betrieben, die aus ihrer Tradition heraus lokale Vereine, kulturelle Einrichtungen oder soziale Aktivitäten in der Region unterstützen. Jedoch geschieht dieses Engagement meist intransparent, punktuell sowie ohne Strategie und langfristigem Ziel. Dies hat sich auch in meinen Untersuchungen zur Tiroler Seilbahnbranche bestätigt. Man muss sich allerdings bewusstmachen, dass CRR noch in den Kinderschuhen steckt und sein Potenzial vielleicht noch nicht gänzlich erkannt wird. Ich berate nun aber seit längerem ein bekanntes Tiroler Unternehmen in Sachen regionaler Verantwortungsstrategie. Die Inhalte sind vielversprechend und ich freue mich schon auf die Umsetzung erster Projekte.

Verena Schröder

Verena Schröder absolvierte den Studiengang „Geographie: Globaler Wandel – regionale Nachhaltigkeit“ an der Universität Innsbruck und ist gegenwärtig als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe für Humangeographie an der Universität Eichstätt-Ingolstadt tätig. Für ihre Masterarbeit, welche 2017 unter dem Titel „Seilbahnunternehmen – Verantwortlich für die Region? Corporate Regional Responsibility im Tiroler Skitourismus“ im Profil Verlag erschienen ist, wurde sie mit dem Walter-Christaller-Preis des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie, dem Förderungspreis der Österreichischen Geographischen Gesellschaft und dem Graf-Chotek-Hochschulpreis der Tiroler Sparkasse in der Kategorie Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in der Mensch-Umwelt-Forschung und den Animal Geographies. Aktuell arbeitet sie an einer Doktorarbeit zur Rückkehr des Wolfes in die alpine Kulturlandschaft und berät freiberuflich Unternehmen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Regionale Unternehmensverantwortung.

Photo by Denis Linine on Unsplash