Bio als Positionierung?

TTR: Wieso habt ihr euch dazu entschlossen, Biohotel zu werden?

Simon Wilhelm: Der Entschluss unser Hotel auf 100% Bio umzustellen entstand rund um das Jahr 2010 mit der Geburt unseres Sohnes, unser erstes Kind! Schon im Vorfeld haben wir uns viele Gedanken darüber gemacht, wie man ein Baby bzw. Kind in einer Zeit, geprägt von Fast-Food, Convenience und Co. richtig und nachhaltig ernähren sollte. Der Entschluss, unser Privatleben auf „Bio“ umzustellen, war schnell gefasst, zumal dieses Thema schon lange in uns schlummerte. Und da uns die private Orientierung in Richtung biologische und nachhaltige Lebensmittel so sehr beeindruckte und überzeugte, war der Entschluss, auch unseren Hotelbetrieb auf diesen Weg zu bringen, vorgegeben. Vor allem meine Frau Nicole war hier die treibende Kraft, die unbedingt und so schnell wie möglich alles umstellen wollte. Mit viel Respekt vor dieser Aufgabe war ich anfangs etwas zögerlicher, um die Tragweite dieser Veränderung besser einschätzen zu können. Letztlich haben wir dann aber im Jahr 2012 die Vollumstellung auf 100% Bio vollzogen.

TTR: Welche Herausforderungen gab bzw. gibt es bei der konsequenten Umsetzung dieser Positionierung?

Simon Wilhelm: Die Umstellung auf 100% Bio stellte uns viele Wochen, ja sogar Monate, vor teils große Herausforderungen, speziell im Bereich der Küche. Hier hat sich bewahrheitet, dass die Umstellung bis auf ca. 80% relativ rasch und unkompliziert von statten geht, dann aber die letzten 20% sehr viel aufwändiger und mühsamer sind. „Der Teufel liegt, wie so oft, im Detail!“ Eine Schwierigkeit lag im Aufbau einer funktionierenden Lieferantenkette, die preislich, vor allem aber qualitativ unseren Ansprüchen genügte. Viele Stunden Recherche, Gespräche, Verhandlungen und Telefonate waren hier nötig, um ein „Startteam“ an Lieferanten und Partnern zusammenzustellen, die diese Herausforderungen mit uns in Angriff nehmen konnten. Unser langjähriges Küchenteam unter der Leitung von Küchenchef Kurt Regensburger war hier eine große Stütze. Ohne deren Rückhalt wäre diese Veränderung nicht so reibungslos abzuwickeln gewesen. Eine weitere Herausforderung traf uns dann in der Folge bei der Zubereitung einzelner Speisen bzw. bei unseren vorhanden Rezepten. Viele Zutaten gibt es ganz einfach nicht in Bioqualität bzw. machen bei einem Umstieg auf Bio gar keinen Sinn mehr. Somit mussten laufend Anpassungen der Menüs bzw. Rezepte vorgenommen werden. Aber auch dies meisterte unser Küchenteam mit Bravour. Das ein oder andere graue Haar dürfte daraus aber entsprungen sein…!

TTR: Wie erfolgt die Kommunikation mit dem Gast im Vorfeld als auch vor Ort? Ist die Bio-Zertifizierung das ausschlaggebende Entscheidungskriterium für einen Urlaub bei euch oder eher ein Add-on?

Simon Wilhelm: Wir kommunizieren einerseits auf unseren Werbewegen, andererseits über unsere Mitgliedschaft bei den Biohotels ganz klar und transparent, dass bei uns alles zu 100% biologisch ist. Von Essen und Trinken, über die Pflegeprodukte auf den Zimmern, bis hin zu den verwendeten Produkten im Spabereich. Auch Ökostrom, nachhaltiges Heizen, Recycle-Papiere etc. gehören zu diesem Selbstverständnis dazu. Der Gast muss wissen, was bei uns anders gehandhabt wird als in anderen Hotels, und dass wir dafür auch wesentliche Mehrkosten in Kauf nehmen. Viele unserer Gäste schätzen diesen Einsatz sehr, einige kommen genau deswegen zu uns, andere sehen es als „Add-on“ zu unserem sonstigen Angebot (Zimmer, Wellness, Sport uvm.). Die wenigsten unserer Gäste interessieren sich überhaupt nicht für Nachhaltigkeit oder das Thema Bio. Wir wollen hier aber auf keinen Fall missionarisch agieren. Wir leben unsere Überzeugung vor, und freuen uns, wenn unsere Gäste das zu schätzen wissen. Gar nicht wenige konnten wir so schon von diesem „Weg“ überzeugen, die vorher keine Gedanken daran verloren hatten. Das freut uns dann natürlich immer besonders!

TTR: Bestärkt euch die derzeitige Covid-19-Krise in eurem Weg bzw. glaubt ihr, dass die Themen Nachhaltigkeit, Regionalität und Bio in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden?

Simon Wilhelm: Die Covid-19-Krise ist für alle Menschen eine riesige Herausforderung, und gerade den Tourismus, speziell in Tirol, trifft es härter als viele andere. Darin etwas Positives zu sehen scheint nicht immer einfach. Es kann ein „Augenöffner“ für uns alle sein, bewusster und nachhaltiger zu leben, darüber nachzudenken, was wirklich im Leben zählt und ob wir immer alles ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen müssen. Wir als nachhaltige Hotelbetreiber machen uns diese Gedanken schon seit vielen Jahren, und hoffen nun, dass eine noch viel breitere Masse über viele Dinge nachzudenken beginnt. Ich war schon vor Corona überzeugt von unserem Weg, auch wenn solche Paradigmenwechsel in der Gesellschaft oft sehr lange dauern. Aber auch der stete Tropfen höhlt den Stein…
Mit Sicherheit bekommt die Nachhaltigkeitsbewegung durch diese Krise jedoch mehr Rückenwind… und das freut uns. Nicht vorwiegend für uns, sondern ganz besonders für die Sache selbst.